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M. Sc.Georgios Christou
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Veranlassung und Zielsetzung
Im Hoch- und Industriebau werden immer häufiger Stahl- Verbunddeckensysteme mit hohem Installationsgrad eingesetzt, in denen zur Reduzierung der Bauhöhe die Gebäudetechnik durch Öffnungen in den Trägerstegen geführt wird. Allerdings stellen Öffnungen im Steg lokale Störstellen dar, an denen bei Verbundträgern Teile der Querkraft aus dem Steg des Stahlprofils in die Betonplatte umgelagert werden. Hierdurch treten zusätzliche, örtlich begrenzte Beanspruchungen im verbleibenden Stahlträgerrest und im Betongurt auf, die bei Bemessung der Deckenträger und Verbundmittel zu berücksichtigen sind. In der aktuell geltenden europäischen Bemessungsnorm für den Stahl-Beton-Verbundbau EC 4 [1] werden Stegöffnungen in Verbundträgern allerdings nicht adressiert. Regelungen für reine Stahlträger mit Stegausschnitten enthält die DASt-Richtlinie 015 [2]. Allerdings berücksichtigt sie weder die Querkrafttragfähigkeit des Betongurtes noch die Umlagerungen zwischen Stahlsteg und Betongurt, die bei Verbundträgern im Bereich einer Stegöffnung wesentlichen Einfluss auf die Gesamttragfähigkeit haben. Zum heutigen Zeitpunkt ist unser Wissen über die komplexen Tragmechanismen von Verbundträgern mit Stegöffnungen begrenzt und wesentliche Aspekte sind vollkommen ungeklärt. Hierzu zählen insbesondere:
• das Zusammenwirken lokaler Effekte im Bereich einer Einzelöffnung (Kraftumlagerungen zwischen Betongurt und Stahlrestträgern über die Verbundmittel),
• die Auswirkungen einer Einzelöffnung auf das globale Tragverhalten, die hiermit einhergehende Schubkraftumlagerung entlang der Balkenachse und deren Auswirkungen auf das globale (Biege-) Tragverhalten,
• die gegenseitige Beeinflussung und Interaktion von mehreren Stegöffnungen mit geringem Längsabstand entlang der Balkenachse.
Aufgrund dieser bisher ungeklärten Aspekte sind vorhandene Modelle für die Stegöffnungsbereiche von Verbundträgern nur begrenzt anwendbar. Sie berücksichtigen lediglich eine Auswahl möglicher Versagensszenarien, vernachlässigen wesentliche Nachweisschritte oder nutzen Berechnungsmethoden, die dem realen Tragverhalten nicht gerecht werden.
Aufgrund dieser Rahmenbedingungen wird die Bemessung von Stegöffnungen in Verbundträgern in Deutschland entweder ausgesprochen konservativ gehandhabt oder aber bereits in der Planungsphase durch die Wahl alternativer Ausführungsvarianten umgangen, was in Anbetracht der günstigen Trageigenschaften der Verbundbauweise unverständlich ist. Ziel dieses Vorhabens ist es, die offenen Fragen im Tragverhalten von Verbundträgern mit einzelnen oder mehrfachen Öffnungen zu klären und aufbauend hierauf adäquate Bemessungsmodelle zu entwickeln, mit denen eine wirtschaftliche und sichere Auslegung der Öffnungsbereiche sowie der globalen Tragwirkung von Verbundträgern mit Stegöffnungen ermöglicht wird. Hierdurch sollen diversifizierte Anwendungsbereiche für Verbundträger mit Stegöffnungen erschlossen werden und Stahlbaufirmen, Produktions- und Walzbetriebe neue Anwendungsbereiche für ihre Produkte gewinnen.
Auch im europäischen Ausland wurde die große Wichtigkeit einheitlicher Bemessungsregeln für Verbundträger mit Stegöffnungen erkannt. Derzeit laufen die Arbeiten für einen Anhang zum Eurocode 4, der die Auslegung von Stegöffnungen regeln soll. Dabei wird deutlich, dass viele Fragestellung noch nicht hinreichend untersucht sind. Eine umfassende deutsche Position zur Bemessung von Verbundträgern mit Stegöffnungen konnte deshalb bisher nicht ausgearbeitet werden, obwohl hier ein internationaler Schwerpunkt hinsichtlich der bestehenden Vorarbeiten liegt.
Literatur
[1] DIN EN 1994 1 1: Bemessung und Konstruktion von Verbundtragwerken aus Stahl und Beton – Teil 1 1: Allgemeine Bemessungsregeln und Anwendungsregeln für den Hochbau; Deutsche Fassung: EN 1994 -1-1:2004. DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Dezember 2012.
[2] Deutscher Ausschuss für Stahlbau (1990). DASt Richtlinie 015-Träger mit schlanken Stegen. Stahlbau-Verlagsgesellschaft, Köln.