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M. Sc.Abedulgader Baktheer
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52074 Aachen
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Fax: +49 (0) 241 80-22055
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Veranlassung und Zielsetzung
Veranlassung und Zielsetzung
Bei der Ausführung der Türme und Gründungen von On- und Offshore-Windenergieanlagen (WEA) wird die Stahlbeton- und Spannbetonbauweise in Zukunft an Bedeutung gewinnen. WEA sind Beispiele für Bauwerke, welche zyklischen Belastungen mit sehr hohen Lastwechselzahlen (N>107) ausgesetzt sind. Vorteile bietet die Stahlbeton- und Spannbetonbauweise gegenüber der Stahlbauweise hinsichtlich der Herstellungs- und Instandhaltungskosten. Durch Vorfertigung und eine bessere Transportierbarkeit von Betonfertigteilen können Windenergieanlagen mit Leistungen von bis zu 2 MW und Nabenhöhen von mehr als 100 m effizient realisiert werden [1].
Infolge der fortschreitenden Entwicklung sowie zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und zugleich sicheren Bauweise ist es unerlässlich, das vorhandene Bemessungskonzept zu überarbeiten. Ebenso liegen nur unzureichende Erkenntnisse zum Ermüdungsverhalten von Beton und den im Beton ablaufenden Schädigungsmechanismen unter Ermüdungsbeanspruchung vor [2]. Auf Grund des großen Umfangs der notwendigen Untersuchungen sind am Verbundforschungsvorhaben WinConFat mehrere Forschungsinstitute beteiligt. Neben sieben universitären Instituten wirken zudem die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, der Deutsche Beton- und Bautechnik-Verein und der Deutsche Ausschuss für Stahlbeton mit. Das IMB ist für zwei Arbeitspakete aus dem Forschungsvorhaben zuständig.
Amplitudenwechsel und Reihenfolgeeffekte
Das Hauptziel des Arbeitspakets „Amplitudenwechsel und Reihenfolgeeffekte“ ist zum einen die Überprüfung bestehender Modelle zur Abschätzung des Ermüdungsverhaltens und zum anderen die Weiterentwicklung der Modellierungsansätze, welche die elementaren Schädigungseffekte unter zyklischen Belastung erfassen können. Besonders zur Abbildung von Reihenfolgeeffekten besteht wegen des hohen experimentellen Aufwands und nichtlinearer Zusammenhänge hoher Bedarf zur Weiterentwicklung und Verbesserung der vorhandenen Modelle. Zu diesem Zweck wird im Rahmen des Arbeitspakets 1.5 eine kombinierte experimentelle und numerische Methodik umgesetzt (s. Bild 1). Darauf aufbauend wird in Zukunft eine systematische Charakterisierung von Betonrezepturen im Hinblick auf Druckschwellbeanspruchung mit einem deutlich geringeren Aufwand möglich sein.
Im Rahmen der experimentellen Untersuchungen werden Versuche an Betonzylindern durchgeführt. Für die verschiedenen Versuche wurden vier Lastszenarien (LS1-LS4) herausgearbeitet, um verschiedene Stadien der Belastung, von statischen über zyklischen Versuchen bis hin zu Ermüdungsversuchen, zu untersuchen.
Mit Hilfe der durchgeführten Versuche werden die Modellansätze kalibriert, weiterentwickelt und im Anschluss validiert, sodass am Ende ein Ingenieurmodell entwickelt werden kann, welches Amplitudenwechsel und Reihenfolgeeffekte realitätsnah abbildet.
Bild 1: Kombinierte numerische und experimentelle Methodik
Um das Ermüdungsverhalten von Betonzylinderproben unter Druckschwellbeanspruchung zu simulieren, werden verschiedene Modellierungsansätze verwendet. Der erste Ansatz ist eine energie-basierte Schädigungshypothese nach Pfanner [3]. Dabei wird vorausgesetzt, dass zum Erreichen einer bestimmten Materialschädigung immer die gleiche Arbeit notwendig ist. Ein zweiter Ansatz nach Alliche basiert auf einer Ermüdungsschädigung, die durch eine äquivalente Dehnungsmessung erzeugt wird, wobei das Ermüdungsverhalten der Probe zyklusweise modelliert wird [4]. Darüber hinaus wird ein neuartiges Ermüdungs-Microplane-Modell entwickelt, das auf kumulativen Verzerrungen basiert. Die dissipativen Mechanismen dieses Ansatzes sind in Bild 2a) dargestellt. Ein Beispiel für das Modellverhalten unter monotoner und zyklischer Belastung zeigt Bild 2b).
Bild 2: IMB-Microplane-Modell: a) dissipative Mechanismen; b) Beispiel für das Modellverhalten
Verbund unter sehr hohen Lastwechselzahlen
Die Regelungen zum Verbund zwischen der Betonstahlbewehrung und dem Beton wurden nicht für den Very-High-Cylce-Fatigue Bereich (N>107) entwickelt und schränken daher den Einsatz der Stahlbetonbauweise bei Tragstrukturen (z. B. Windenergieanlagen) mit sehr hohen Lastwechselzahlen ein. Ziel des Arbeitspakets „Verbund unter sehr hohen Lastwechselzahlen – Druckschwellbeanspruchung“ ist es daher, Bemessungsvorschläge und Konstruktionsregeln zu erarbeiten, die den Verbund zwischen Betonstahl und Beton unter Druckbeanspruchung auch bei sehr hohen Lastwechselzahlen sicherstellen.
Zur experimentellen Untersuchung des Verbundwiderstands werden Beam-End-Versuche durchgeführt. Hierbei soll der Einfluss des Belastungsniveaus und der Amplitude ausgehend von geringen Lastspielen bei hohen Lastwechselzahlen auf das Verbund-Schlupf-Verhalten ermittelt werden. Basierend auf den Ergebnissen werden Verbund-Schlupf-Beziehungen zur Lösung der Differenzialgleichung des verschieblichen Verbunds entwickelt.
Die Tragwirkung von gestoßenen Druckstäben unterscheidet sich von Zugstäben vor allem dadurch, dass neben dem Verbund eine zusätzliche Kraftübertragung über den Spitzendruck vorhanden ist (Bild 3, rechts). Der Anteil der Stabkraft, der über die Spitzen und Betondruckstreben weitergeleitet wird, kann zwischen 20 % und 40 % liegen. Bei Übergreifungsstößen entstehen durch die Umlenkung der Druckstrebe Querzugspannungen, die zu Betonabplatzungen führen können.
Um den Einfluss des Spitzendrucks zu untersuchen, wird als Versuchsaufbau ein modifizierter Beam-End-Test verwendet, der eine Unterbindung des Spitzendrucks ermöglicht. Durch den Vergleich von Versuchen mit und ohne Spitzendruck soll der Einfluss dieses Effekts auf die Verbundkraftübertragung verifiziert werden.
Durch Zusammenführen der Ergebnisse von Beam-End-Versuchen unter Zug- und Druckbeanspruchung soll in enger Abstimmung mit dem durchführenden Projektpartner ein konsistentes Ingenieurmodell erarbeitet werden.
Bild 3: Beam-End-Versuch ohne Spitzendruck (links) und mit Spitzendruck (rechts)
Im Rahmen dieses Arbeitspaketes wird ein Verbundermüdungsmodell entwickelt, welches auf einem thermodynamisch konsistenten und drucksensitiven Schädigungsmodell beruht. Dabei stellt der stetig steigende Schlupf eine der grundlegenden Ursachen der Ermüdungsschädigung dar. Der Modellierungsansatz liefert eine klare physikalische Interpretation der dissipativen Mechanismen, die die Ausbreitung von Ermüdungsschäden innerhalb der Beton-Stahl-Grenzfläche bestimmen. Dadurch ist es möglich, sowohl das monotone als auch das zyklische Verhalten des Verbundes mit einem konsistenten Satz von Materialparametern zu reproduzieren. Bild 4 zeigt das Modellverhalten an einem einzelnen Materialpunkt.
Das Modell wurde zur Simulation des Schädigungsprozesses in der Kontaktzone zwischen Beton und Bewehrung anhand von Ausziehversuchen kalibriert und mit in der Literatur veröffentlichten Versuchsergebnissen validiert [5] (Bild 5).
Bild 4: Verbundesermüdungsmodell: a) Verbundspannungs-Schlupf-Beziehung für monotone und zyklische Belastung; b) entsprechende Schädigungsentwicklung
Bild 5: Simulation der Ausziehversuche - Vergleich mit experimentellem Programm (Rehm und Eligehausen 1979); a) Ausziehversuche; b) Ausziehlast-Schlupf Beziehung ; c)Kriechermüdungskurve ; d) Wöhlerlinie des Verbundes
Dank
Gefördert werden die vorgestellten Untersuchungen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi 0324016C). Dem BMWi sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Förderung: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 11.2016-10.2019
Bearbeiter: Abedulgader Baktheer, Benjamin Camps, Homam Spartali
Literatur
- Hansen, M.; Göhlmann, J.; GrünbergJ.: Bemessungsmodell für die Ermüdungsbeanspruchung bei schwingungsanfälligen turmartigen Bauwerken aus Stahlbeton und Spannbeton –Abschlussbericht vom 30.10.2008, Bd. 3228, Fraunhofer IRB-Verlag Stuttgart, 2010.
- Hegger, J.; Roggendorf, T.; Goralski, C.; Roeser, W.: Ermüdungsverhalten von Beton unter zyklischer Beanspruchung aus dem Betrieb von Windkraftanlagen [Abschlussbericht], Bd. 3305, Fraunhofer IRB-Verlag Stuttgart, 2014.
- Pfanner, D: Zur Degradation von Stahlbetonbauteilen unter Ermüdungsbeanspruchung. Dissertation, Technisch-wissenschaftliche Mitteilungen, Institut für Konstruktiven Ingenieurbau Ruhr-Universität Bochum, VDI-Verlag, Düsseldorf, 2003
- Alliche, A.: Damage model for fatigue loading of concrete, In: International Journal of Fatigue, 26, (2004), S. 915–921. https://doi.org/10.1016/j.ijfatigue.2004.02.006.
- Rehm, G.; Eligehausen, R.: Bond of ribbed Bars under High Cycle Repeated Loads. In: ACI Journal, 76-15 (1979).
- Baktheer, A., Aguilar, M., Chudoba, R.: Microplane fatigue model MS1 for plain concrete under compression with damage evolution driven by cumulative inelastic shear strain. International Journal of Plasticity, 143 (2021). https://doi.org/10.1016/j.ijplas.2021.102950.
- Baktheer, A., Chudoba, R.: Experimental and theoretical evidence for the load sequence effect in the compressive fatigue behavior of concrete. Materials and Structures, 54, 82 (2021). https://doi.org/10.1617/s11527-021-01667-0.
- Baktheer, A., Spartali, H., Hegger, J., Chudoba, R.: High-cycle fatigue of bond in reinforced high-strength concrete under push-in loading characterized using the modified beam-end test. Cement and Concrete Composites, 118 (2021). https://doi.org/10.1016/j.cemconcomp.2021.103978.
- Baktheer, A., Spartali, H., Chudoba, R., Hegger, J.: Concrete splitting and tip-bearing effect in the bond of anchored bars tested under fatigue loading in the push-in mode: An experimental investigation. Materials and Structures, 55, 101 (2022). https://doi.org/10.1617/s11527-022-01935-7.